In Raamsdonksveer wird ein neues Kapitel der Luftfahrtgeschichte geschrieben. Denn nach 15 Jahren Entwicklungsarbeit erhebt sich 2022 der erste PAL-V in den Himmel. Damit ist die Erfindung aus Brabant offiziell das erste zugelassene fliegende Auto der Welt.
James Bond hatte „Little Nellie“ im Film „Man lebt nur zweimal“. Harry Potter hatte nicht nur einen fliegenden Besen im Quidditch, sondern konnte auch mit einem verzauberten Auto fliegen. Und in zahlreichen Science-Fiction-Filmen vollführen fliegende Fahrzeuge imposante Manöver.
Bald wird das erste fliegende Auto auch für gewöhnliche Nutzer verfügbar sein, die regelmäßig größere Distanzen zurücklegen. In den Niederlanden gibt es bereits 23 Flugplätze, von denen der PAL-V abheben darf – und wo er natürlich auch wieder aufsetzen kann. Ziemlich sicher wird sich die Zahl in der nahen Zukunft verdoppeln. Im übrigen Europa gibt es noch mehr Auswahl – mit weit über 10.000 Landeplätzen.
PAL-V steht für „Personal Air and Land Vehicle“ und das sagt genau aus, was es ist: ein Auto und ein Flugzeug in einem. Präziser gesagt ist es eine Kombination aus dem Carver und dem Tragschrauber – oder „Gyrokopter“. Der Carver ist ein motorisiertes Dreirad, bei dem man zu zweit hintereinander sitzt. Auf dem Dach befindet sich ein faltbares Rotorsystem, das auf dem Prinzip des Tragschraubers basiert. Im Gegensatz zu einem Hubschrauber wird nur der Heckpropeller von einem Motor angetrieben, der Hauptrotor dreht sich allein durch die vorbeiströmende Luft, die die Hubkraft erzeugt.
Seit fast hundert Jahren träumen die Menschen von einem fliegenden Auto. CEO Robert Dingemanse von PAL-V sagte einmal: „Wenn wir 100 Jahre lang davon träumen, muss es einen Markt dafür geben.“ Nach Jahren der Entwicklung steht dieser Traum kurz vor seiner Verwirklichung.
„Mit dem Erhalt des niederländischen Kennzeichens ist ein sehr wichtiger Meilenstein erreicht“, sagt Beau Metz, verantwortlich für Marketing und Vertrieb bei PAL-V. Das Fahrzeug darf nun auf der Straße fahren. Jetzt muss es noch in die Luft. Das Fahrzeug befindet sich in der letzten Phase des Zulassungsprozesses durch die Europäische Luftfahrtbehörde EASA.
Dennoch gehört viel dazu, diesen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen. Wenn die Gründer von PAL-V gewusst hätten, dass so viel Aufwand nötig sein würde, um ein fliegendes Auto auf die Straße und in die Luft zu bringen, hätten sie vielleicht gar nicht erst angefangen.
Es muss ein vollwertiges Auto mit Schaltung, Gas, Bremse und Kupplung sein und gleichzeitig über alle Technologien zum Fliegen verfügen. Und dann muss die Kombination auch noch möglichst leicht und kompakt sein und sich schnell vom Auto zum Tragschrauber transformieren lassen. „Es ist eine der einfachsten und sichersten Möglichkeiten, zu fliegen.“
Die Idee stammt von dem Erfinder John Bakker aus Raamsdonksveer, der 2003 zusammen mit Robert Dingemanse ein Unternehmen gründete, um das erste fliegende Auto der Welt zu bauen. Aber es musste eine Menge Geld her, um das Traumprojekt auf den Weg zu bringen.
Einer der ersten, der sich engagierte, war Ted den Ouden, der auf einer „no cure no pay“-Basis zu arbeiten begann, um Investoren zu finden. „Ich wurde entweder ausgelacht, oder die Leute sagten: Kommen Sie in vielleicht fünf Jahren wieder“, sagt Den Ouden. „Nach so einem Zeitraum könnte es mehr Sicherheit geben. Natürlich weiß ich, dass ein Entwicklungsprozess lange dauert. Obwohl, wenn Sie mir damals gesagt hätten: 16 Jahre...“
Dennoch zeigten mehrere Investoren Interesse. Den Ouden übergab das Projekt an Robert Dingemanse, der dem Unternehmen PAL-V ernsthaft Gestalt verlieh. In den letzten Jahren nahm die Entwicklung mehr und mehr Fahrt auf. Inzwischen arbeiten 100 Mitarbeiter bei PAL-V an den Vorbereitungen für die Produktion und Auslieferung.
Das fliegende Auto soll eine Lösung für den Frust am Flughafen bieten: ein Ort, an dem man eigentlich gar nicht sein will. Der PAL-V ist ein vollwertiges Auto, das mit normalem Euro-95-Benzin betankt wird. Der Fahrer kann von zu Hause aus entscheiden, ob er in Hilversum oder Eindhoven startet, um nach Frankfurt zu reisen und ist somit nicht mehr von Fluggesellschaften und Flughäfen abhängig.
Ein spezielles Navigationssystem hilft dem Fahrer herauszufinden, welchen Teil er auf der Straße zurücklegt und welche Route er fliegt. „Das System konzentriert sich aber auf den Luftraum, weil das der schnellste Weg ist“, sagt Metz. „Der PAL-V Liberty kann mit einer Tankfüllung 400 bis 500 Kilometer weit fliegen.“
Da es sich beim PAL-V Liberty um einen Tragschrauber handelt, kann das Fahrzeug die bestehenden Luftfahrtgesetze für sich nutzen. Und wenn es in der Luft eng wird, kann der Fahrer das „Corridors in the Sky“-System nutzen, eine Art virtuelle Autobahn am Himmel. Normalerweise fliegt er etwa 500 Meter hoch, so dass er den kommerziellen Flugverkehr nicht stört.
„In dieser Höhe ist ein relativ großer Teil des Luftraums frei“, sagt Metz. „Früher war viel Papierkram nötig, um Flugrouten festzulegen. Jetzt lernen die Nutzer in der Ausbildung, wie sie das auf einfache Weise regeln. Man kann natürlich auch abenteuerliche Routen erkunden. Es ist ein Traum, sich mit einem Auto in die Luft zu erheben und Grenzen zu überschreiten.“
Neben Privatpersonen erwartet PAL-V, dass auch viele Instanzen daran interessiert sein werden. Die Polizei und die Küstenwache zum Beispiel. „Ein großer Teil der Hubschrauberflüge dienen der Observation,“ sagt Metz. „Der PAL-V kann auch das Auge am Himmel sein, aber er ist vier bis fünf Mal billiger und wirtschaftlicher als ein Hubschrauber.“
Der PAL-V muss auch nicht in einem Hangar auf einem Flugplatz untergebracht sein, sondern kann einfach auf einem Parkplatz abgestellt werden. Von Ihrem Zuhause oder Büro aus fährt man dann zum Flughafen. „Vielleicht entsteht dann ein Landeplatz für die PAL-V auf der Maasvlakte, so dass man nicht zum Flughafen Rotterdam/Den Haag zurückkehren muss“, sagt Metz.
Nicht nur die Technik ist eine Herausforderung bei der Entwicklung des PAL-V, auch die Gesetzgebung und die Zertifizierung spielen eine große Rolle. Ein fliegendes Auto kann nicht einfach beim Finanzamt oder der staatlichen Straßenverkehrsbehörde registriert werden. Für die Luftfahrt gelten strengere Gesetze als für andere Formen der Mobilität.
„Die Zertifizierung in der Luftfahrt dauert etwa zehn Jahre, weil die Sicherheitsanforderungen höher sind als in der Automobilindustrie“, sagt Metz. „Bei PAL-V haben wir enorm viel Arbeitszeit darauf verwendet, das verschafft uns einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Das ist wichtig, denn damit wird der PAL-V Liberty das erste fliegende Auto der Welt sein, das auf den Markt kommt.“
Nur wenige Unternehmen haben in den letzten Jahrzehnten ein Luftfahrt-Zertifikat erhalten, um ein Flugzeug entwickeln, bauen und zulassen zu dürfen. Der PAL-V wird der dritte Einsteiger in den letzten 20 Jahren der Luftfahrtgeschichte sein. „Das zeigt schon, wie besonders diese Position ist“, sagt Metz. Da der PAL-V das allererste zertifizierte fliegende Auto weltweit ist, arbeitet das Unternehmen mit diversen Instanzen an der Entwicklung standardisierter Programme zur Zertifizierung. Dadurch ist das Unternehmen inzwischen selbst zu einem Wissenszentrum im Bereich der Zertifizierung geworden.
Nicht nur das Fahrzeug wird zertifiziert, sondern das gesamte Werk erhält das EASA-Zertifikat (European Aviation Safety Agency). Auch damit schreibt PAL-V Geschichte. Nach Fokker haben die Niederlande mit PAL-V wieder ein echtes internationales Luftfahrtunternehmen. Auch werden die fliegenden Autos in Brabant vom Band rollen. Mit dieser Produktionsmöglichkeit geben sie einen Impuls für die Beschäftigungssituation in Brabant. Allein in den Niederlanden gibt es bereits mehr als 50 Bestellungen von Privatpersonen und Instanzen.
Das Unternehmen hat seinen Sitz in mehreren Bürogebäuden in der Nähe von Raamsdonksveer und ist damit fest in Brabant verwurzelt. Auch der Carver ist eine Erfindung aus Brabant. Darüber hinaus hat das Unternehmen mit dem internationalen Flughafen Breda einen wichtigen Partner gefunden: den idealen Ort, um Fahrzeuge zu testen und Schulungen durchzuführen.
Zusammen mit Breda Aviation haben sie eine FlyDrive Academy gestartet, an der bereits die ersten Kunden teilnehmen. Es läuft also schon ein professionelles Schulungsprogramm für zukünftige Nutzer. Käufer des PAL-V müssen eine Pilotenlizenz erwerben und erhalten in Breda ihre ersten Unterrichtsstunden, um sich auf die Übernahme ihres Liberty vorzubereiten. Diese Lizenz (ab 20.000 Euro) ist erforderlich, um sich in die Luft erheben zu dürfen.
In den nächsten zehn Jahren erwartet PAL-V mehr Veränderungen bei der Mobilität als in den letzten 100 Jahren. Die Autobahnen sind verstopft, aber der Luftraum bietet viel Platz in drei Dimensionen. Henry Ford sprach einst prophetische Worte. „It’s not a matter if a car is gonna fly, but when.“ Darauf hat PAL-V jetzt eine Antwort.
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Als Studenten aus Brabant gewannen sie die Solar Challenge mit dem Stella, einem Familienauto mit Solarenergieantrieb. Dies bildete die Grundlage für das Unternehmen Lightyear. Im Juni 2019 wurde der Prototyp, der Lightyear One, der Welt vorgestellt.
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