Mit einer eigenen Produktionslinie für personalisierte Düfte stellt Scentronix die Parfümindustrie auf den Kopf. Mit Hilfe von Daten und KI erobert das Start-up aus Brabant die Welt.
Sind Sie ein Vordenker oder ein Mitläufer? Introvertiert oder extrovertiert? Mögen Sie Waldgerüche oder bevorzugen Sie Frische?
Besucher, die diesen Fragebogen ausfüllen, verbringen einige Zeit damit, ihre Vorlieben mitzuteilen. Aber es lohnt sich. Denn auf der Grundlage der Antworten empfiehlt die Algorithmic Perfumery Machine drei Düfte, die durch Anwendung von drei verschiedenen Algorithmen erzeugt werden.
Anschließend werden drei Fläschchen mit den geeigneten Duftakkorden gefüllt, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz zusammengestellt werden. Die Fläschchen verlassen das Fließband und enthalten jeweils eine einzigartige Duftkombination, die zur Persönlichkeit der jeweiligen Person passt.
Warum ist eine solche persönliche Duftmischung wünschenswert? Um sich selbst näher zu kommen, sagt Frederik Duerinck, der Bredaer Unternehmer hinter Scentronix. „In der traditionellen Parfümindustrie kauft man Parfüm, um sich den Glamour eines berühmten Filmstars anzueignen oder sich mit dem Image eines noblen Parfümhauses zu schmücken. Man kauft eigentlich ein von anderen kreiertes Idealbild. Bei uns ist es genau andersherum. Sie möchten sich zum Beispiel ausgeglichener fühlen. Mit einem Duft, der auf Ihren persönlichen Vorlieben basiert, können Sie sich neu justieren.“
Die Idee zu den personalisierten Parfums kam Duerinck vor einigen Jahren. Als Künstler und Dokumentarfilmer sucht er seit langem nach Möglichkeiten, Menschen in ein umfassendes Erlebnis eintauchen zu lassen, das mehrere Sinne stimuliert. Seiner Meinung nach war Film als Medium dazu unzureichend. Wie konnte er erreichen, dass man die sengende Sonne nicht nur sieht, sondern auch spürt? Wie konnte er den Besucher tatsächlich in eine andere Realität entführen?
Das brachte ihn dazu, mit Gerüchen zu experimentieren, denn sie haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Stimmung. Gemeinsam mit den Designern Marcel van Brakel und Mark Meeuwenoord schuf er eine innovative Kunstinstallation, die die Geräusche und Gerüche der letzten Lebensminuten von Berühmtheiten wie Lady Diana und John F. Kennedy nachahmt.
Infolge dieses Kunstprojekts wurde er 2016 vom Parfümhersteller IFF gescoutet. Ob er für ein Innovationsprojekt über Düfte und andere sensorische Erfahrungen in die Zentrale nach New York kommen könne.
Alles entstand während einer Brainstorming-Sitzung in Amerika, deren Datum sich in sein Gedächtnis eingebrannt hat: 18. Januar 2017. Es lief nicht gut, bis Duerinck plötzlich seine Idee blitzartig vor sich hatte. „Ich habe erkannt, dass alles ein Medium sein kann, um eine Geschichte zu erzählen. Und Geruch geht den direktesten Weg zum primitivsten Teil des Gehirns, der Emotionen auf einer unterbewussten Ebene steuert.“
Bei dieser Brainstorming-Sitzung dachte er nicht an Expansion, sondern an Individualisierung: jeder Kunde sein eigenes Parfüm. Außerdem musste es ein Parfüm werden, das jeder Benutzer selbst zusammenstellen kann. Vor Ort fertigte Duerinck eine einfache Skizze der Erfahrung an, die er dem Nutzer als Schöpfer seiner eigenen Duftpalette vermitteln wollte. „Die Maschine, die wir jetzt zur Parfümherstellung verwenden, ist dieser ersten Idee noch sehr ähnlich.“
Nach seinem Geistesblitz setzte Duerinck alles daran, seine Idee zum Erfolg zu führen. Er kündigte seinen regulären Job und entwickelte einen Prototyp für personalisiertes Parfüm. Einige Zeit später war der Brabanter auf einer Ausstellung in New York und suchte nach Investoren. Dies gelang, denn die größten Geldgeber seines Unternehmens Scentronix kommen aus den Vereinigten Staaten.
Scentronix ist zu einem großen Teil ein amerikanisches Unternehmen, aber Duerinck hat sich dafür entschieden, sein „Living Lab“ und das dazugehörige Geschäft in Breda anzusiedeln. „Ich glaube, die Niederlande sind das beste Land der Welt, weil hier vieles gut organisiert ist“, sagt er. „In Brabant ist viel technologisches Wissen vorhanden und es bietet einen guten Arbeitsmarkt. Ich habe hier in Brabant ein Netzwerk aus dem Studium und mit ehemaligen Studenten, was es mir relativ leicht gemacht hat, Leute zusammenzubringen, die eine bestimmte Denkweise haben, um ein Problem zu lösen.“
Sieben Tage in der Woche ist Duerinck jetzt mit Düften beschäftigt. Jeden Tag riechen, jeden Tag auswählen. Sein eigenes Schränkchen über dem Waschbecken ist mit Dutzenden von selbst hergestellten Parfüms gefüllt. „Ich entscheide mich jeden Tag für das, worauf ich Lust habe. Ich habe so etwa zehn Definitionen von mir selbst, die ich mit Gerüchen ausdrücken kann. Manchmal bin ich der frustrierte Mann, den niemand verstehen will. Manchmal bin ich die Frohnatur, die alle mitreißt. Als Geschichtenerzähler finde ich es magisch, über die bewussten Gedanken hinaus, über den Geruch, direkt zum Gefühl zu gelangen.“
Scentronix ist kein Standard-Parfümhersteller, denn das Unternehmen operiert an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie. „Wir geben den Menschen die Möglichkeit, eine Wahl zu treffen und dadurch die Welt zu beeinflussen. Man entwickelt seine eigene Formel, mit der man spielen kann. Das steht im Widerspruch zu allem, wofür die Parfümindustrie steht.“
Außerdem baut er das Unternehmen weiter auf, das inzwischen 17 Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen hat alles selbst in der Hand, von der Kreation bis zum Prototypenbau, von der Qualitätssicherung und Sicherheit bis zu Produktion, Vertrieb, Marketing und Einzelhandel. „Wir haben die gesamte Kette der Parfümindustrie in einer Plattform zusammengefasst. Eigentlich ist das völlig irrsinnig.“
In der Ginnekenstraat in Breda eröffnete er das Geschäft Algorithmic Perfumery, in dem man sein eigenes Parfüm herstellen kann. Das Produkt ist ein personalisiertes Parfüm, aber was Scentronix damit erreichen will, geht viel weiter. Für ihn gehen Kunst und Unternehmertum Hand in Hand.
„Scentronix hält sich an die Gesetzmäßigkeiten eines Unternehmens, da wir sonst nicht in der Lage wären, das notwendige Geld aufzubringen“, erklärt er. „Wir müssen genügend Investitionsgelder beschaffen und den Investoren gegenüber Rechenschaft ablegen. Das Projekt ähnelt aber auch einem Kunstprojekt, das die bestehende Ordnung in Frage stellt. Wir gehen oft fünf Schritte voraus und vier zurück. Aber ich glaube nicht an einen einfachen Weg, man muss akzeptieren, dass es Rückschläge geben kann. Unternehmertum ist eigentlich eine Frage des Mutes.“
Scentronix arbeitet auch mit den Studiengängen Mechatronik und ICT an der Avans Hogeschool in Breda und Mindlabs in Tilburg zusammen. Gemeinsam betreiben sie Datenforschung, um personalisierte Parfums für jedermann zugänglich zu machen.
Duerinck hofft zu erreichen, dass Menschen durch Düfte über sich selbst reflektieren. Düfte beruhigen den Herzschlag und führen zu mehr Bewusstsein im Hier und Jetzt. „So wie die Kleidung uns in eine bestimmte Stimmung versetzt, erlaubt uns ein Duft, bewusste Entscheidungen zu treffen und uns kraftvoller zu fühlen. Das richtige Parfüm beruhigt und schafft eine persönliche Atmosphäre. Aber ich möchte auch erreichen, dass man sich fragt, wohin man gehen will, was einen verunsichert und was man anders machen möchte.“
Das langfristige Ziel geht noch weit darüber hinaus. Es geht nämlich darum die Wahrnehmung zu verstehen. Wie nehmen Menschen wahr und welche Rolle spielen dabei Gerüche? Zu diesem Zweck ist Scentronix eine umfangreiche Zusammenarbeit eingegangen mit der Tilburg University und Wageningen University und Research. „Dabei geht es um eine Kooperation in der Region, an der auch die Avans Hogeschool beteiligt ist. Wir wollen Daten nutzen, um die Wahrnehmung vorherzusagen und Zusammenhänge zu entschlüsseln“, sagt er. „Duft kann zum Beispiel den Appetit auf ganz natürliche Weise anregen. Das wäre eine ausgezeichnete Lösung für Menschen mit Appetitmangel.“
Im Jahr 1923 gründet Saal van Zwanenberg die Organon AG. Der „Stolz von Oss“ entwickelt sich zu einem internationalen Marktführer in der Pharmaindustrie. Fast 100 Jahre später steht „ein völlig verändertes Unternehmen da“. Geschäftsführerin Wenny Raaijmakers erzählt.
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