Immer mehr Kunden pressen ihren Orangensaft im Supermarkt selbst aus und der Berg an Orangenschalen wächst. PeelPioneers nutzt diese als wertvolle Rohstoffe für ätherische Öle, Ballaststoffe und Reinigungsmittel. Die Produktion befindet sich jetzt noch in Son, aber bald auch in Den Bosch.
Lass den Kunden selbst im Laden seinen Orangensaft auspressen und die gefüllte Flasche an der Kasse bezahlen. Vor einigen Jahren entdeckten die Supermärkte diesen interessanten Wachstumsmarkt. Denn der Verbraucher hat es gerne superfrisch. Immer mehr Geschäfte stellten eine Auspressanlage in der Obstabteilung auf. Diese Zapfstelle entwickelte sich schnell zum lukrativsten Quadratmeter im gesamten Supermarkt.
Aber die Entsorgungsunternehmen waren von dem wachsenden Zustrom an Orangenschalen besorgt. Ihr „Abfallmix“ ließ nicht zu, diesen zunehmenden Strom von saurem Brei entsprechend zu verarbeiten. Sowohl Verbrennung als auch Vergärung brachten keine guten Ergebnisse.
Zeit für einen Plan, dachte sich Bas van Wieringen. Als Unternehmensentwickler war er an mehreren Innovationen im Bereich der Abfallverwertung beteiligt. Daher wusste er, dass der wachsende Berg an Orangenschalen zu einem ernstzunehmenden Problem für die Abfallentsorgung wurde.
Aber ein solcher Schalenberg kann auch das Ei des Kolumbus enthalten. Denn 2016 hörte Van Wieringen einen Redner bei einer Veranstaltung über den Wert von Orangenschalen schwärmen. Dieser Redner war Sytze van Stempvoort, der vom Rednerpult aus unterstrich, wie seltsam es sei, dass so wenig mit diesem Rohmaterial gemacht werde.
Bei Van Wieringen keimte eine neue Geschäftsidee auf. „Es müsste möglich sein, hierauf ein Business aufzubauen, bei dem Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt steht.“
Zusammen mit Lindy Hensen hatte Van Wieringen bereits ein Unternehmen, das sich mit der Unterstützung von Innovationsprojekten befasste. Mit Van Stempvoort im Bunde bildeten sie das ideale Dreigespann: Hensen ist Maschinenbauerin, Van Stempvoort ist Laborexperte und Van Wieringen ist der Mann fürs Kaufmännische. Zu dritt gründeten sie PeelPioneers: ein Unternehmen, das sich ganz auf die nachhaltige Verarbeitung des wachsenden Stroms an Orangenschalen konzentriert.
In einer Fabrikhalle in Amsterdam führen sie zahlreiche Tests mit verschiedenen Versuchsaufbauten und Techniken durch. „Mit einer Schaufel in der Hand wurden wir selbst zum Fließband zwischen den verschiedenen Maschinen“, sagt Van Wieringen über die Anfangsphase. Nach diesen ersten Versuchen konnten sie Geld für den Bau einer Fertigungsstraße zusammentragen. Jetzt konnte es mit der eigentlichen Arbeit losgehen.
Für die drei Gründer war schnell klar, dass Brabant der ideale Standort für die Verarbeitung der Orangenschalen ist. Hier laufen nämlich mehrere Stränge zusammen.
Zunächst taten sie sich mit der niederländischen Supermarktkette Jumbo zusammen – für die Versorgung mit Schalen aus den Supermärkten. Das Maschinenbauunternehmen D&W Process Technology aus Uden baute die Produktionsanlage.
Auch wichtige Abnehmer für das Orangenöl fanden sie in Brabant: TriStar Industries in Roosendaal (industrielle Reinigungsprodukte) und das in Tilburg ansässige Unternehmen IFF (International Flavors & Fragrances). Das letztgenannte Unternehmen verarbeitet das ätherische Öl in Getränken. Mit ein paar hochkonzentrierten Tropfen verleihen sie Mineralwasser ein wundervolles Zitrus-Aroma.
Aber wie baut man ein nachhaltiges Unternehmen auf Basis von Orangenschalen auf? Van Wieringen ist davon überzeugt, dass man als Start-up seinen Platz in einer bestehenden Kette finden muss, will man damit eine reelle Chance haben.
Alles erstes beschloss das Unternehmen, so nah wie möglich an seinen wichtigsten Partner, das Recyclingunternehmen Renewi, heranzurücken. Das Unternehmen aus Brabant ist Marktführer in den Niederlanden, wenn es um organische Abfallströme geht und hat alle Arten von Schalen im Angebot. Beide Unternehmen haben ihren Sitz auf dem gleichen Industriegelände in Son en Breugel.
Auch bei anderen Entscheidungen, wie z.B. bei den Abnehmern, waren kurze Lieferwege ein entscheidender Faktor. Hersteller von Backwaren, Fleischersatzprodukten, Suppen und Soßen können die Zitrusfruchtfasern als Bindemittel gut gebrauchen. Bis vor kurzem waren sie dafür auf Lieferanten aus Südafrika, Brasilien oder Florida angewiesen. Dank der Produktion von PeelPioneers können sie nun ihren Rohstoff regional einkaufen. Und das, obwohl hier gar keine Orangen angebaut werden.
Dank dieser kurzen Lieferwege kann PeelPioneers die Preise wettbewerbsfähig halten. „Unser Ziel ist nicht nur ein nachhaltiges Unternehmen, sondern auch ein nachhaltiges wirtschaftliches Geschäftsmodell“, sagt Van Wieringen. „Wenn unsere Preise mit denen des restlichen Marktes vergleichbar sind, können wir wachsen. Und dieses Wachstum ermöglicht uns, noch mehr Zitrusabfälle nachhaltig zu verarbeiten.“
Es ist Pionierarbeit in der Realwirtschaft. Und genau das ist es, was Van Wieringen so sehr reizt. „In der Welt der digitalen Technologie bezieht sich ‚Plattform‘ auf etwas Digitales, aber ich spreche von einer Plattform aus Edelstahl, auf der man arbeiten kann. Weniger sexy vielleicht als Apps zu entwickeln und in der Mittagspause in Turnschuhen Tischtennis zu spielen. Aber Aktivitäten in der Old Economy machen wahnsinnig viel Spaß, weil wir in einer klassischen Industrie die Kette schließen. Wir machen das mit ganz vielen Maschinen aus Edelstahl und Männern und Frauen in orangefarbenen Overalls. Ich muss einfach breit lächeln, wenn ich darüber spreche.“
Aber zunächst einmal geht es jetzt für PeelPioneers um Expansion. Knapp vier Jahre nach der Gründung baut das Unternehmen eine komplett neue Fabrik in Den Bosch, für die die Gründer kürzlich 10 Millionen Euro einsammeln konnten. Am Produktionsstandort Son en Breugel werden immer noch 40.000 Kilo Schalen pro Tag verarbeitet. Bei der neuen Niederlassung wird die Verarbeitungskapazität dreimal so groß sein.
Jetzt arbeiten noch zehn Leute in der Firma, nächstes Jahr sollen es dreißig sein.
Den Bosch ist eine strategische Wahl, denn diese Region profiliert sich als die Agri-Food-Hauptstadt der Niederlande. „Es gibt hier viel Know-how im Bereich Agri-Food, denn unter anderem die HAS University of Applied Sciences ist gleich um die Ecke und dazu viele Agri-Food-Unternehmen. Ein solcher Cluster zieht eine Menge Talente an. Bisher war es für uns nicht allzu schwer, gute Leute zu finden, aber die Suche nach echten Talenten bleibt auch für uns eine Herausforderung.“
Für PeelPioneers geht es bei Wachstum um Breite und Tiefe. In Zukunft wollen sie auch die Schalen anderer Zitrusfrüchte wie Limette, Zitrone und Grapefruit verarbeiten. Aus ihnen lassen sich ebenso wertvolle Rohstoffe wie aus Orangen gewinnen, aber die Versorgung mit Schalen ist jetzt noch nicht im großen Stil zu organisieren.
Darüber hinaus sucht PeelPioneers nach Möglichkeiten, noch mehr aus den Orangenschalen zu machen. Van Wieringen zeigt ein Fläschchen mit dem aus der Schale extrahierten Farbstoff. Aus dem eigenen Labor. „Ich sehe für unser Unternehmen vor mir, dass wir immer weiter Pionierarbeit leisten: Mit neuen Anwendungen, wie zum Beispiel in Zusammenarbeit mit unseren Kunden vegetarische Hühner-Nuggets zu entwickeln, mit unseren Faserstoffen darin.“
PeelPioneers will zu einem starken Unternehmen heranwachsen, will aber auch weiterhin Pionierarbeit leisten. Weil es hilft, sich immer wieder neu zu erfinden, meint Van Wieringen. „Vielleicht machen wir in zehn Jahren ganz andere Sachen, aber ich hoffe, dass wir dann immer noch eine Vorreiterrolle haben.“
Brabant ist eine fruchtbare Region, wenn man im Bereich Agri-Food aktiv sein will, sagt Bas van Wieringen von PeelPioneers. Er sieht in Brabant eine enorme Bereitschaft, neuen Unternehmern beim Start unter die Arme zu greifen. „Es ist kein geschlossener Kreislauf, keine Vetternwirtschaft, sondern hier geben sie wirklich ihr Bestes, um einem auf die Sprünge zu helfen. In Brabant ist Unterstützung für Unternehmer nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern es wird unternehmerisch mitgedacht.“
Von Anfang an waren die „Stichting Doen“ und die BOM (Brabantse Ontwikkelings Maatschappij) als Investoren beteiligt. „Das hat uns nicht nur Geld eingebracht, sondern auch ein ausgezeichnetes Netzwerk. Die BOM weiß genau, was einen als Start-up erwartet. Dieses Wissen geben sie weiter – zum Beispiel was Gesetze Vorschriften und Zulassungsprozesse angeht.“
Von nicht-verzehrfähigem Zucker bis zu Gülle: Bio-Rohstoffe, die sich u.a. zu einer glänzenden Beschichtung für Handys, zu Fahrradschläuchen oder sogar zu Auto-Armaturenbrettern verarbeiten lassen. Biorizon gelang der Durchbruch zu nachhaltiger Produktion mit gesteigerter Qualität.
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