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Food Design von byFlow in Eindhoven
  • Artikel 22.10.2019

3D-Food-Printing: eine Revolution in der Lebensmittelbranche

5 Minuten Lesezeit

Filigrane Schokoladenkreationen, individuelle Entwürfe mit Butter und Gemüsepüree: Mit 3D-Food-Printing oder Lebensmitteldruckern von byFlow setzen Köche all ihre Fantasien essbar um. CEO Nina Hoff möchte die Branche an die Printer heranführen, um die Zubereitung und das Erlebnis von Lebensmitteln zu verändern.

Nina Hoff, ihr Bruder Floris und ihr Vater Frits sind nicht unbedingt Kenner auf dem Gebiet kulinarischer Hochgenüsse. Dennoch wird ihr 3D-Foodprinter in der Lebensmittelbranche gerade mit offenen Armen empfangen. Mit etwa fünfzig verschiedenen Zutaten kann dieser Drucker außergewöhnliche Kunstwerke kreieren, von Mascarponecreme bis Schokolade und von Gemüsepüree bis Rindfleisch.

Heute ist ihr 3D-Lebensmitteldrucker hauptsächlich noch etwas für kunstvolle Kreationen, mit denen Küchenchefs ihre Gäste beeindrucken. Doch jetzt stehen sie an der Schwelle zu einer großen Veränderung. In Zukunft wollen sie Anlagen anbieten, mit denen individuelle Produkte in industriellem Maßstab hergestellt werden können, unter Berücksichtigung von Allergien oder persönlichen Vorlieben.

Lebensmitteldrucker von byFlow in Eindhoven
Foto: Peter van Trijen

Fokus auf Lebensmittel

Also eine echte Revolution im Lebensmittelsektor. So weit wäre es vielleicht nie gekommen, wenn nicht plötzlich ein frühpensionierter Mann mit großer internationaler Erfahrung auf der Schwelle des Unternehmens gestanden hätte. Irgendwann klopfte er unangekündigt auf dem High Tech Campus in Eindhoven bei der Unternehmung an, um sich als „Vertriebsmitarbeiter“ zu bewerben.
Nina Hoff sprach mit ihm und nahm sein Angebot an, unentgeltlich für Sie als Berater tätig zu werden. Graues Haar in einem Team, in dem das Durchschnittsalter bei 25 Jahren liegt, das kann nicht schaden, dachte sie.

Seitdem coacht er Nina Hoff und ihr Team in allen möglichen Bereichen. Der Mann will nicht bei Namen genannt werden – aber Nina Hoff wünscht jedem Start-up einen solchen erfahrenen Mentor. „Seine Beratung machte uns klar, dass wir eine Metamorphose durchlaufen mussten. Ergebnis war eine vollständige Konzentration auf Nahrungsmittel, die sich drucken lassen.“

3D-Technologie

Die Geschichte von byFlow beginnt im FabLab Maastricht, einem offenen Workshop für Konstruktion in zwei und drei Dimensionen. Frits Hoff, der „Founding-Father“ von byFlow, beschäftigt sich mit 3D-Technologie für den medizinischen Bereich. Er sieht einen Bedarf an maßgefertigten Prothesen. Vorhandene 3D-Drucker können jedoch nur Kunststoff verarbeiten. Frits Hoff holt sich die Hilfe seines Sohnes Floris (heute CTO von byFlow), der in Den Haag Industriedesign studiert. Floris entwickelt einen neuen 3D-Drucker mit austauschbaren Druckköpfen, der auch mit Silikon oder Keramik drucken kann. Als sie auf einer Messe in Rom, für eine Art Show, Nutella als Ausgangsmaterial verwenden, erregen sie damit ungeheure Aufmerksamkeit. Die Messebesucher stehen Schlange, um einen Stern oder einen Keks aus Nutella zu drucken.  

Das schreit geradezu nach einer Unternehmensgründung. Deshalb rufen Frits und Floris Hoff 2015 byFlow ins Leben. Flow verweist auf die flüssigen Rohstoffe für den Drucker und auf „Flo“, den ehemaligen Spitznamen von Floris Hoff. Als Floris Hoff und sein Vater kurze Zeit später die Möglichkeit erhalten, an dem Accelerator-Programm Start-up Bootcamp teilzunehmen, braucht es jemanden, der den geschäftlichen Teil übernimmt. Deshalb wird die 22-jährige Nina Hoff das Gesicht des Start-ups aus Eindhoven. Sie treffen jedoch eine Vereinbarung: Familie geht vor Unternehmen. „Nichts darf auf Kosten der Familie gehen“, sagt Nina Hoff. „Das haben wir dafür nicht übrig“.

Nina Hoff, CEO von byFlow in Eindhoven
Foto: Peter van Trijen

„Man wird in diesem Sektor ungeheuer kreativ, denn es gibt kein Anleitungshandbuch für die 3D-Lebensmittelverarbeitung."

Druckerköpfe

In den ersten Jahren haben sie schlaflose Nächte. In den sozialen Medien bekommen sie Zehntausende von Hits und Likes, aber kaum jemand kauft die Multi-Material-Printer. Nina Hoff: „Es schlug einfach nicht ein.“ „Es drang nicht durch, dass man genau wie Kunststoff auch Keramik und alles andere in der gleichen Qualität drucken kann.“

2017 organisiert byFlow mit Hilfe seines Senior-Coach einen internen „Hackathon“, um die Vision, Mission und Zukunftsorientierung von byFlow intensiver unter die Leute zu bringen. Das komplette Team nimmt sich alles vor, was in Social Media und anderen Kanälen über byFlow erschienen ist. Das Ergebnis ist klar: Food-Printer kommen ungeheuer an, alles andere nicht so. Nina ist ziemlich schnell davon überzeugt, dass byFlow sich ganz auf essbare Prints konzentrieren sollte. Weitere Perfektionierung steht nicht an. Es muss erst mal Geld reinkommen.

Lebensmittelsektor

Innerhalb der Familie kommt es zu heißen Diskussionen darüber, was man „essbar“ drucken soll und was nicht. Floris Hoff ist mit den Vorschlägen nicht einverstanden. Diese High-Tech-Maschine wurde doch nicht für Kartoffelpüree konstruiert? Auch Frits Hoff ist nicht begeistert. Auf diesem Feld kennen sie sich einfach zu wenig aus.

Letztendlich kann Nina Hoff ihre Familie doch überzeugen. 2017 treffen sie nach langer Beratung die Entscheidung: Wir richten uns mit unserer Marke jetzt vollkommen auf die Nahrungsmittelbranche.

Bald wird ihnen bewusst, dass die Food-Branche eine ziemlich konservative, geschlossene Welt ist. Da als Neuling mit einem innovativen Produkt durchzudringen, ist eine schwierige Aufgabe. Trends wie „hausgemacht,“ „natürlich“ – „wissen, wo das Essen herkommt“ lässt sich schwer mit ihrer Technologie vereinbaren.
Nina Hoff: „Bei einem Drucker denkt man gleich an Tinte und nicht an ein gesundes Produkt. Doch unsere Produkte sind vollkommen natürlich. Wir verwenden höchstens ein paar Nüsse, um den Stoff etwas zu verdicken.“

Frits Hoff wendet sich deshalb an große Namen in der Gastronomiewelt, wie den Spitzenkoch Jan Smink, der sich seine Sporen im niederländischen Sternerestaurant „Librije“ verdient hat und mittlerweile ein eigenes Restaurant im friesischen Wolvega führt. Jan Smink ist ungeheuer neugierig und kommt schon am nächsten Tag nach Eindhoven. „Ein Gefäß aus Butter hat ihn umgehauen“, erinnert sich Nina Hoff. „Für mich war das nichts Besonderes, doch für ihn war das ein Riesending. Da war mir klar: Wir haben was, für das es sich lohnt, sich voll einzusetzen.“

Partnerschaften und Brand-Ambassadors helfen, die Tech-Welt und die Lebensmittelexperten miteinander in Kontakt zu bringen. Auch andere Hersteller sind begeistert. Menschen mit Kau- und Schluckproblemen kommen durch den Lebensmitteldrucker in den Genuss von schmackhaftem Essen, dem Vitamine zugesetzt wurden. Köche können Produkte ganz einfach personalisieren, ohne dass eine Schablone erforderlich ist. Und die Lebensmitteldrucker helfen dabei, individuelle Ernährungsbedürfnisse wie nach glutenfreier, laktosefreier und veganer Kost zu erfüllen.

byFlow: Lebensmitteldruck in Eindhoven
Foto: Peter van Trijen

,,Ein Food-Printer hilft bei der Umsetzung dessen, was sich der Küchenchef ausgedacht hat. Er wird nie das Handwerk bei der Zubereitung von etwa Steak Tartar mit den richtigen Gewürzen ersetzen."

Trends und Technologie

In zehn Jahren wird jeder einen Computer in der Küche stehen haben. Davon ist man byFlow überzeugt. Nina Hoff: „Die Arbeitsbelastung durch Personalengpässe kann nur vermindert werden, wenn man zulässt, dass die Technik einen Teil der Arbeit übernimmt. Ein Food-Printer hilft bei der Umsetzung dessen, was sich der Küchenchef ausgedacht hat. Er wird nie das Handwerk bei der Zubereitung von etwa Steak Tartar mit den richtigen Gewürzen ersetzen."

Allerdings könnte das Wachstum noch schneller gehen. Deshalb entwickeln sie Rezepte mit Sterneköchen und arbeiten mit dem Kräuter- und Soßenlieferanten Verstegen zusammen. Köche können auf ihrer Website Rezepte einsehen und Designs herunterladen. Sie erhalten auch Hilfe bei der Erstellung eines eigenen 3D-Modells. „Der Markt versteht noch nicht ganz, was man damit im Unternehmen alles machen kann und wie sich die Technik in den Arbeitsprozess integrieren lässt. Wir helfen dabei, die Arbeit mit dem Drucker zugänglicher zu machen.“

Partner in Brabant

Der nächste Schritt wird sein, den Drucker auch in der industriellen Lebensmittelproduktion einzusetzen. Das Gerät benötigt drei bis 15 Minuten für ein Design, abhängig von der Komplexität. Mit mehreren Druckern und speziellem Bedienungspersonal lässt sich der Einsatzumfang enorm erweitern. Dafür gibt es auch den Begriff „Printfarms“.

In Brabant haben sie verschiedene Partner gefunden, um dieses Wachstum zu ermöglichen. Der Anlagenbauer VDL in Eersel übernimmt der Montage des Druckers. „In Brabant sind wir flexibel und können schnell schalten. Wir lagern unseren Prozess aus, aber wir müssen die Mitarbeiter unserer Partner schulen. Das kostet Zeit und Geld, aber byFlow legt großen Wert auf Qualität. Darüber hinaus befindet sich unser gesamtes Lieferantennetzwerk in der Region Brabant. Das geben wir nicht einfach so auf.“

Food Design von byFlow in Eindhoven
Foto: Peter van Trijen

Industrial leader in foodprinting

Nina Hoff freut sich über den Wechsel, den sie vollzogen hat, von der Personalvermittlerin im Gesundheitswesen zum CEO des jungen Unternehmens. Mittlerweile ist sie Botschafterin für Frauen in der Tech-Welt. „Technologie ist das Beste, was es gibt. Man hat eine Idee und kann sofort loslegen. Ich lerne hier unheimlich viel und kann zusammen mit dem Team das Unternehmen aufbauen. Floris hat mir sein Kind anvertraut. Er ist der introvertierte Denker und musste sein Produkt loslassen. Ich bin stolz darauf, dass er das konnte.“

Mit stetigem Wachstum will byFlow den Markt erobern und zum „industrial leader in foodprinting“ werden. „Man wird in diesem Sektor ungeheuer kreativ, denn es gibt kein Anleitungshandbuch für die 3D-Lebensmittelverarbeitung", sagt Nina Hoff. „Um weitere Einnahmequellen zu erschließen, verkaufen wir nun auch Dienstleistungen im Bereich Foodprinting, darunter Beratung, Keynote-Speaker auf internationalen Kongressen sowie Workshops. Wir haben inzwischen viel Wissen erworben, das uns viele Möglichkeiten verschafft. Daraus lernen wir auch wieder und so verstehen wir immer besser, wohin der Markt will." Sie trägt ihren Coach auf ihren Händen, weil er dabei geholfen hat, den entscheidenden Moment zu kreieren. „Wir können ihm alles sagen, was wir wollen. Stellen Sie daher als Start-up sicher, dass Sie die richtigen Leute um sich haben, die Ihre Ängste verstehen und die Ihnen gelegentlich einen Schubs geben.“

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